Trotz der zahlreichen Vorteile, die das Einheitliche Patentgericht (UPC) und das Einheitspatentsystem bieten, gibt es von Seiten der Beteiligten auch einige Herausforderungen und Kritikpunkte.
4.1. Komplexität und Kosten eines Rechtsstreits:
Das zentralisierte System des UPC ist zwar effizient, kann im Vergleich zu nationalen Gerichten jedoch zu höheren Prozesskosten führen, insbesondere in Fällen mit komplexen Rechtsstreitigkeiten und mehreren Parteien.
Auch die Forderung an den Beklagten, Sicherheiten für die Prozesskosten zu leisten, kann für die Prozessparteien eine erhebliche finanzielle Belastung darstellen.
Unternehmen sind besorgt über potenziell höhere Rechtskosten aufgrund der Notwendigkeit einer Rechtsvertretung in mehreren Gerichtsbarkeiten, was insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) eine Herausforderung darstellen kann.
4.2. Risiko paneuropäischer Unterlassungsklagen:
Das UPC ist befugt, europaweite Unterlassungsverfügungen zu erlassen, was ein zweischneidiges Schwert sein kann. Zwar bietet es starke Durchsetzungsmöglichkeiten, doch bedeutet es auch, dass eine einzelne nachteilige Entscheidung weitreichende Auswirkungen in mehreren Ländern haben kann.
Dadurch erhöht sich der Einsatz für die Beklagten, die im Falle einer einstweiligen Verfügung mit erheblichen Geschäftsunterbrechungen rechnen müssen.
4.3. Verlust nationaler Gerichtsbarkeit und Rechtsvielfalt:
Kritiker argumentieren, dass das UPC die nationale Souveränität untergräbt, indem es Patentstreitigkeiten bei einem einzigen Gericht zentralisiert. Diese Abkehr von nationalen Gerichten könnte zur Erosion lokaler Rechtstraditionen und -praktiken führen, die sich im Laufe der Zeit entwickelt haben.
Darüber hinaus sind einige Interessenvertreter besorgt über die Möglichkeit eines „Forum Shopping“, bei dem die Prozessbeteiligten Gerichtsbarkeiten wählen könnten, die sie für ihren Fall als günstiger erachten.
4.4. Herausforderungen beim Opt-Out:
Während der siebenjährigen Übergangsfrist (die auf 14 Jahre verlängert werden kann) können Patentinhaber die Zuständigkeit des UPC für ihre bestehenden europäischen Patente ablehnen. Dieser Prozess ist jedoch komplex und erfordert strategische Entscheidungen.
Nach Ablauf der Opt-out-Frist fallen alle Patente, für die kein Opt-out vereinbart wurde, automatisch in die Zuständigkeit des UPC. Dies erschwert möglicherweise die Prozessstrategie von Unternehmen, die an den Umgang mit nationalen Gerichten gewöhnt sind.
4.5. Auswirkungen auf Patentstrategien:
Die Einführung des UPC und des Einheitspatentsystems erfordert eine Neubewertung der Patentstrategien.
Die Unternehmen müssen nun abwägen, ob sie Einheitspatente anstreben, die einen breiteren Schutz bieten, im Falle ihrer Ungültigkeit aber auch größere Risiken bergen, oder ob sie an den traditionellen europäischen und nationalen Patenten festhalten, um ein gewisses Maß an rechtlicher Vielfalt und Risikominderung aufrechtzuerhalten.
4.6. Bereitschafts- und Implementierungsprobleme:
Die Einsatzbereitschaft des UPC wurde insbesondere im Zusammenhang mit der Schaffung neuer Sitze in der Mittelliga, wie sie kürzlich Mailand zugeteilt wurde, in Frage gestellt.
Ein großes Anliegen ist es, sicherzustellen, dass das Gericht voll funktionsfähig ist und komplexe Fälle effizient behandeln kann. Verzögerungen und logistische Herausforderungen könnten die Wirksamkeit des Systems in der Anfangsphase beeinträchtigen.
Während das UPC- und das Einheitspatentsystem darauf abzielen, Patentstreitigkeiten zu rationalisieren und die Rechtssicherheit in ganz Europa zu erhöhen, verdeutlichen diese Herausforderungen die Komplexität und die potenziellen Risiken, die mit dieser bedeutenden Transformation des Europäische Patentlandschaft.
Im Zuge der Weiterentwicklung des Systems wird es von entscheidender Bedeutung sein, diese Bedenken auszuräumen, um seinen Erfolg und seine Akzeptanz bei den unterschiedlichen Interessenvertretern der Gemeinschaft für geistiges Eigentum sicherzustellen.
